Ausstellung «Am Rande der Welt leben unsere Schwindel» - Blick auf die libanesische Fotoszene
Von dem Ausmaß des Zusammenbruchs und dem Verfall des Landes ergriffen, ist die kreative Kraft der libanesischen Künstler heute als Zeichen des Widerstands der Imaginären eingeschrieben. Ihre Reden tragen sowohl die Dramen, die weiterhin erlebt werden, als auch die möglichen Zukunftsperspektiven.
Der Libanon, ein Land der Legenden und Mythen, das aus vielen Paradoxen zwischen Reichtum und Armut, Sanftmut und Grausamkeit, Wahrheiten und Absurditäten besteht, ist diese verdorbene Gestalt, die einen Rand der Welt verkörpern würde. Ein Land in der Mitte, dessen Grenzen vor dem Fall oder Aufstieg gezogen werden. Ein Land, das man in einem Schwellenzustand lebt, im Herzen der Gewalt dessen, was ist. Die Gespenster eines fünfzehnjährigen Bürgerkriegs, der völlige und beispiellose Zusammenbruch einer Gesellschaft, ihre Krisen: politisch, wirtschaftlich, ökologisch, ihre sozialen Dramen, sind der Alltag der Libanesen. Es gibt hier jeden Tag einen Rand der Welt, der an Extreme grenzt. Schweben oder kippen, erleben Sie den Schwindel einer leeren oder überfüllten Gegenwart.
Angesichts der Traumata zwischen den Generationen, der Gegenwart der Ungewissheit, der viszeralen Korruption, der Knappheit lebt man weiter, passt sich an, erlaubt sich auch das Recht zu träumen. Es ist keine Resilienz, es ist ein Geschenk des Sinnes, ein Teilen, eine Dynamik von Bindungen, ein Zirkulieren von Gedanken und Ideen. Dann geben wir Schwindel nicht als Angst, sondern als Sehnsucht, als Ausgangspunkt für andere Möglichkeiten des Seins und Wohnens. Diese Ausstellung vereint 16 libanesische Fotografen und Videofilmer. Ihre Reise lädt in drei Sequenzen zu einer Frage nach den Grenzen und Möglichkeiten der Darstellung, des Geschichtenerzählens und der Sublimation ein. Es bietet eine sensible Lektüre, die versucht, die Herausforderungen der Schöpfung in einem Kontext des Zusammenbruchs zu erfassen. Wie wirken sich Traumata und Katastrophen auf Körper und Geist aus?
Wie übersetzen Künstler die Dynamik von Territorien, Zirkulationen, Verankerungen und historischen und kulturellen Resonanzen? Wie kann man individuelle oder kollektive Emotionen, Obsessionen, Zeitskalen, Verblassen konfrontieren und transkribieren? Wie kann man die Visionen und Wünsche einer Erneuerung darstellen?
In notwendigerweise fragmentarischer Weise enthüllen sich politische und poetische Fragestellungen, in denen die gelebten Erfahrungen, die Ausbrüche der Realität und die Ufer der Fiktion den kritischen und schöpferischen Elan kultivieren. Hier öffnet sich eine Bresche leuchtender Ideen, die eine Erforschung der fotografischen und visuellen Sprachen berühren. Eine Bresche wie ein Durchbruch, wo Schwindel herrscht, jene, die aus dem schöpfen, was nicht zerstört werden kann.
Künstler ausgestellt auf:
Joanna Andraos Valérie Cachard & Gregory Buchakjian Jack Dabaghian Rami el Sabbagh Paul Gorra Joana Hadjithomas & Khalil Joreige Gilbert Hage Laetitia Hakim und Tarek Haddad Roger Moukarzel Nasegri Sayegh Tabetansi
Ausstellung von Samstag, 9. Juli bis Sonntag, 6. November 2022 Logis Abbaye de l'Jumièges
Kommissare: Clémence Cottard-Hachem und Laure d'Hauteville
Bildmaterial: Stele(n) - Studie/ Landschaft, Exquis, 2020, Nasri Sayegh © Nasri Sayegh